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Aug 28 2011

die 13te Woche

Es wird langsam wirklich Zeit, über meine neue Arbeit zu erzählen. Schließlich handelt es sich, wie bereits erwähnt, nur um eine projektbasierte Stelle, und wir nähern uns langsam aber sicher bereits dem Ende unseres Projekts.

Die Firma, in der ich arbeite, betreibt, wie bereits in Woche acht kurz beschrieben, sogenanntes Linguistic Videogame testing. Die Zeiten, in der wir Vollpreis-Videospiele nur in der Sprache aus dessen Ursprungsland bekommen, sind zum Glück seit den Neunzigern vorbei. Spiele werden übersetzt und auf die Kultur des jeweiligen Markts angepasst. Diesen Vorgang nennt man Lokalisierung.

Mit einer einfachen Übersetzung sämtlicher Anleitungs- und Spieletexte ist es nicht getan. In jeder Kultur gibt es kleine aber doch feine Unterschiede, die bei unzureichender Anpassung eines Spiels teilweise zu großen Missverständnissen oder sogar zu Provokationen führen können.

Einige Beispiele:

Kulturelle oder geschichtsbedingte Unterschiede

Im Beat ‘em up XY gibt es einen Move, namens Super SS. Selbstverständlich kann der Name in der deutschen Version nicht eins zu eins übernommen werden.

Maßeinheiten

Während in den U.S.A. oder im U.K. Gallonen, Grad Fahrenheit, Fuß und Meilen vorherrschen, zählt bei uns das metrische System. Die Anpassung stellt in Texten kein Problem dar, doch für Tacho und Thermometer – also Skalen, die in Echtzeit berechnet werden – müssen komplett neue Algorithmen programmiert werden.

Gedichte und Wortspiele…

…sind sicherlich eine der größten Herausforderungen eines jeden „Lokalisten“ ;) Einerseits möchte man den Reim bzw. Witz erhalten, andererseits darf der Sinn natürlich nicht verloren gehen. Ein Problem, das auch die Filmindustrie hat. Hier ein Beispiel aus dem James Bond Streifen Moonraker, dass man auch passende Übersetzungen für Wortspiele finden kann:

Why did you stop the flirt with my King python?

Warum haben sie den Flirt mit meienr Königsphyton unterbrochen?

I thought she had a crush on me!

Weil ich dachte, dass sie mich aus Liebe fast erdrücken würde!

Gedichte und Liedtexte der Disneyfilme werden gerne als Paradebeispiele der Lokalisierung aufgeführt. Doch auch die schon etwas in die Jahre gekommene Oddworldreihe hat bewiesen, dass sich Videospiele nicht vor der Filmindustrie verstecken müssen.

Die Lokalisation geschieht beinahe zeitgleich mit der Erstellung des Grundgerüsts des Spiels, also verhältnismäßig früh in der Entwicklungsphase. Schließlich ist das Skript bereits verfasst, sodass die Lokaagenturen mit der Übersetzung beginnen können. So arbeiten die Programmiererteams von Anfang an nicht nur an einer Version des Spiels, sondern an allen Versionen, in deren Sprachen das Spiel veröffentlicht wird.

Jetzt kommen die Linguistic Tester ins Spiel. Unsere Aufgabe ist es, sämtliche Dialoge, sämtliche Menüs, jeden Inhalt, der übersetzt und angepasst wurde, auf Semantik-, Grammatik-, Formatierungs-, Terminologie-, Rechtschreib- und kulturbedingte Fehler hin zu überprüfen.

Theoretisch müsste jeder Tester nun das Spiel komplett durchspielen und sämtliche Menüs und Untermenüs überprüfen. Damit der Publisher nicht zu viel Stundenlöhne an uns Tester zu zahlen hat, werden uns Cheats vom Entwickler zur Verfügung gestellt, mit denen wir per Knopfdruck gegen jeden Gegner gewinnen oder – sollte es der Test verlangen – auch verlieren können. Auch gibt es Cheats mit denen die einzelen Levels direkt angesteuert werden können.

Im Großen und Ganzen ist jetzt klar, wie das Linguistic testing funktioniert. Doch wie sieht es im Detail aus?

Getestet wird auf sogenannten Debug-Konsolen, welche die Studios nur vom Hersteller direkt beziehen können. Damit ist es möglich, Spiele auszuführen, die sich im Entwicklungsstadium befinden. Die einzelnen in Entwicklung befindlichen Versionen eines Spiels nennt man Build. Liegt der erste Build auf dem Tisch, spricht man sich mit seinem Team ab, wer welchen Spielmodus bzw. welche Menüpunkte samt Untermenüs überprüft. Jede Sprache bildet hierbei ein Team, deren einzelne Glieder an jeweils unterschiedlichen Plattformen (PC, Konsole, Handheld) sitzen. Denn mit Ausnahme von Exklusiventwicklungen wird heute kein Vollpreiskonsolenspiel mehr nur für ein einziges System entwickelt.

Welche Arten von Bugs gibt es? Um die Frage kurz zu beantworten: Viele! Zu viele, um sie hier zu alle zu beschreiben. Aber die die wesentlichsten sollen genannt werden: crashes, freezer und blocker.

Crash

Das System stürzt bei einer bestimmten Stelle einfach ab.

Freezer

Das System friert bei einer bestimmten Stelle einfach ein.

Blocker

Man ist in einer Situation oder einem Menüpunkt im Spiel festgefahren, kann vielleicht ein paar Schritte vor oder zurück, doch kommt im Wesentlichen nicht mehr aus dem Menü oder der Situation heraus, da bei der Programmierung einfach etwas nicht bedacht wurde. Das Programm läuft zwar weiterhin stabil, aber es bleibt einem nichts weiter übrig, als das System auszuschalten.

Sämtliche Bugs dieser Kategorie haben bis zum Release höchste Priorität und müssen beseitigt werden. Selbst wenn diese Bugs nicht viel mit Sprachen zu tun haben, werden sie auch von Linguistik Testern gemeldet, da sie den Tester daran hindern, das Spiel weiter zu überprüfen. Aber natürlich liegt die Priorität des Linguistik Testers beim überprüfen der Spieltexte. Hier sind folgende Bugs die wesentlichsten:

Incorrect string,

translation oder

incorrect formatting.

Sind die Übersetzungen an der richtigen Stelle im Spiel? Gibt es Rechtschreibfehler?

Wurden einige Texte vergessen und befindet sich noch ein Platzhalter oder der Originalsprachtext an einer Stelle?

Formatierungsfehler erhalten eine niedrigere Priorität. Ein Beispiel wäre, dass ein Text zwar korrekt in einer Textbox angezeigt aber gestaucht dargestellt wird, da er zu lang ist.

Auch muss überprüft werden, ob an bestimmten Stellen die richtige Symbol- oder Buchstabengrafik gezeigt wird. Des Testers „größte Freude“ ist hier momentan die Nintendo Wii. Denn sämtliche Menüs müssen drei mal überprüft werden. Warum? Die Wii hat drei verschiedene Joypadanschlussmöglichkeiten. Die alten Gamecube Joypads, die Wii mote samt Nunchuck und den Classic Controller. So muss also jedes Menü überprüft werden, ob auch wirklich die richtigen Tastengrafiken dargestellt werden, je nachdem, welches Eingabegerät verwendet wird. Und natürlich müssen die Grafiken auch auf die Systemzugehörigkeit überprüft werden. Nintendo würde wenig begeistert sein, wäre in einem Wii Spiel folgende Aufforderung zu lesen: „Drücke die X-taste um fortzufahren oder die O-taste um abzubrechen.“ (X- und O-Tasten gibt es nur auf dem Joypad für SONYs Playstation) Auch mag ein eingegebener Text auf der hochauflösenden Playstation 3- oder in der Xbox 360-Version wunderbar zu lesen sein. Auf der PAL-Auflösung der Wii erkennt man allerdings nur eine schwammige Linie. Hier kommt der sogenannte Crosscheck ins Spiel. Nach ausgiebigem Testen werden gegen Tagesende sämtliche eingegebenen Bugs darauf hin überprüft, ob sie auch auf die anderen Plattformen bzw. auf andere Sprachversionen übertragbar sind. Blocker können meist für alle Versionen berichtet werden, da es sich schließlich um eine Fehler bei der Programmierung einer Situation handelt, die höchstwahrscheinlich in allen Spieleversionen die gleiche sein wird. Schwieriger wird es allerdings schon bei Freezer oder Crashes. Friert das System ein, weil der Code unzureichend auf das jeweilige System angepasst worden ist, oder weil bereits bei der Programmierung des Grundgerüst ein Fehler unterlaufen ist? Wurde eine Zeile nur in der deutschen Version falsch übersetzt, oder hat sich bereits im Skript ein Fehler eingeschlichen und alle Versionen zeigen in einer bestimmten Situation den falschen Text an?

Warum testet man Sprachmenüs überhaupt während der Entwicklungsphase? Wäre es nicht einfacher, das Spiel erst einmal fertigzustellen und dann alles zu überprüfen? So möchte man meinen, doch es gibt beispielsweise Bereiche, die in einer Sprache mit einem Stichwort erklärt werden, deren Beschreibung in einer anderen Sprache aber drei Zeilen verschlingt. Dass man hier nur für eine Sprachversion ein größeres Menüfenster programmiert wird nicht passieren. Dann wird entweder das Textfenster für alle Versionen etwas vergrößert oder versucht den Text in der Sprache zu kürzen, in der er zu lang ist. Es treten also Fehler auf, die nach Änderungen am Code verlangen. Schwer möglich bei einem abgeschlossenem Spiel. Auch kommt es vor, dass sich einige Menüs nach der Lokalisierung noch ändern oder nachträglich neue Menüs oder Bereiche hinzugefügt werden. Diese Übersetzungsarbeiten führen dann meist nicht mehr die Lokaagenturen, sondern die Linguistic Test Studios aus.

Wie geht es nun weiter mit den gemeldeten Bugs? Die meisten Entwickler nutzen eine verschlüsselte Onlinedatenbank, um den Entwicklungsfortschritt ihres Produkts zu überwachen. Es hat zum Vorteil, dass sich der Fortschritt von überall auf der Welt einsehen lässt. So können die Tester beispielsweise in Kanada sitzen, wohingegen sich das Entwicklerstudio in in Japan befindet, ohne dass die Produktivität darunter leidet. Dem Entwicklerteam liegt nun die Liste der Bugs vor und sie machen sich an die Korrekturarbeiten. Sobald die Fehler von dem Team beseitigt worden sind, oder sobald die Programmierer der Meinung sind, den Fehler behoben zu haben, wird der Ball wieder an das Testteam zurück gespielt. Denn auch wenn die Bugs sehr genau beschrieben sind, ist nicht immer klar, ob ein Fehler auch wirklich behoben wurde. Sobald die Tester dann die Liste der Korrekturen erhalten haben, werden die Bugs auf ihre Beseitigung hin überprüft. Ist kein Unterschied festzustellen oder ist die Änderung für den Tester unzureichend, bleibt der Bug in der Datenbank bestehen oder wird ggf. um eine detailliertere Beschreibung ergänzt. Dieses Prozedur setzt sich fort bis der letzte Bug beseitigt ist.

Welche Atmosphäre herrscht in so einem Unternehmen? Etwas abschreckend wirkt auf den ersten Blick die Tatsache, dass man nirgendwo ohne RFID-Chip-Schlüsselkarte Zugang hat. Auch hat jeder Tester ein eigenes Schließfach, da jeglicher Datenträger draußen bleiben muss. Das gilt sowohl für Handys als auch für mp3-Player. Kameras sind absolutes Tabu. Und die Kommunikation zur Außenwelt? Der Arbeitsplatz des Videospieletesters ist einer der wenigen Büroarbeitsplätze, der tatsächlich ohne Telefon auskommt. Emails können nur an vom Administrator genehmigte Mailadressen gesendet werden. Und wer darauf hofft, sich in den Pausen sich xxx-Seiten zusätzliche Entspannung zu verschaffen wird schwer enttäuscht. Auch hier können nur vom Admin genehmigte Seiten aufgerufen werden. So ein Pech aber auch… Mit anderen Worten ist es äußerst schwer das zu testende Spiel unbemerkt aus dem Büro oder ins Internet zu schleusen.

Und welche Arbeitsatmosphäre herrscht dort? Tester sind ein junges Volk, selten über dreißig Jahre. Wer nebenbei noch seine Fremdsprache(n) auf dem neuesten Stand halten will, freut sich bei diesem Job zusätzlich über einen kostenlosen Konversationskurs. Die Italiener wundern sich in ihrer Sprache über Berlusconis neueste „Errungenschaften“, der Typ am Arbeitsplatz hinter mir kommt mir spanisch vor, zu meiner linken flucht einer auf Französisch… Mit anderen Worten: Wir sind ein krankes Volk! Aber es macht uns Spaß, krank zu sein.

Welche Qualifikationen braucht man für diesen Job? Natürlich gute Deutschkenntnisse. Denn allerspätestens beim Vorstellungsgespräch wird man einem zehnseitigen (!)

Deutschtest unterzogen. Sämtliche Bugs werden in Englisch berichtet. Folglich sind auch sehr gute Englischkenntnisse vonnöten. Das Vorstellungsgespräch wird in Englisch geführt. Wie in jedem Büroberuf sind auch hier gute Officesoftwarekenntnisse Voraussetzung. Und zu guter Letzt sollte man natürlich wissen, wie man ein Joypad richtig hält. Die Einweisung in die Datenbank ist schnell erlernt. Kenntnisse im Bereich von Grafik- oder Videobearbeitung sind von Vorteil, können aber auch während der ersten Woche vermittelt werden.

Welches Gehalt kann man in Japan für so einen Job erwarten? Je nach Region natürlich etwas unterschiedlich. Es sollte nicht unter 1.300 Yen pro Stunde liegen. In der Regel pendeln die Löhne um die 1.500 Yen pro Stunde. Getestet wird Vollzeit in einer 40 Stundenwoche. Bei hohem Arbeitsaufkommen auch Samstags und Sonntags!

Wer nun auf einen Linguistic Testerjob Lust bekommen hat, und dies mit einem work and travel/workin holiday Aufenthalt in Japan verbinden möchte, hier zwei Links:

http://www.uniconpro.co.jp/de/recruit.html

http://www.enzyme.org/index.php?id=75&L=1

Besonderen Dank an: Hubertus Neidhart vom Deutschen Webspace Provider Network für den exzellenten Service, Lilith Pendzich, Brandon Lamb, U.S.A.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.cyclonara.de/die-13-woche/

2 Kommentare

  1. Hubsenau

    Interessant mit dem Linguistic Testing.
    Hatte keine Ahnung wie das im Detail funktioniert und vor allem wie früh der Prozess bereits beginnt.

    1. admin

      Wie geschrieben beschreibt der Bericht noch längst nicht alle Details. Es ist eine recht komplexe Materie. Macht viel Spaß, kann aber auch manchmal sehr anstrengend sein.

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