Suanbo ist die einzige Stadt auf meiner Reise durch Südkorea, in welcher ich keinen Gastgeber gefunden
habe. Als ich die Stadt erreiche, wird mir schnell klar, weshalb dies so ist. Es ist eine Stadt deren Wirtschaftskraft sich scheinbar zu 100 % auf Tourismus spezialisiert zu haben scheint. Die Stadt ist überflutet von Hotels und Motels jedes mit seinem eigenen Thermalbad. Im Winter bietet die Stadt sogar ein kleines Skigebiet. Besucht man die Stadt außerhalb der Urlaubszeit, hat man folglich keine Probleme, ein günstiges Zimmer zu finden. Für 30.000 Won (20,60 € 24,70 CHF) nehme ich mir ein komfortables Zimmer, inklusive Badezimmer mit Wanne, Minibar, Fernseher selbstverständlich, großes Doppelbett, Klimaanlage und – für mich am wichtigsten – ein Zimmer mit einem Computer mit high speed Internet ohne zusätzliche Gebühren. (Auch wenn ich nur das Netzwerkkabel benötige, um meinen eigenen Laptop daran anzuschließen). Auch die Motels in Suanbo haben ihre eigenen Thermalbäder. Zimmer in den luxuriöseren Hotels sind ab 80.000 Won (54,80 €, 65,80 CHF) aufwärts erhältlich.
Doch die Umgebung bietet auch etwas für Geschichtsinteressierte. Ungefähr zwölf km östlich von Suanbo in Mireuk-ri, Jungwon, können eine Buddha Statue und andere historische Artefakte wahrscheinlich bereits aus der Zeit des Silla Königreichs (57 v. Ch. – 935) bewundert werden. Da sich die Kulturstätte nicht auf dem Weg meiner Radreise befindet, entscheide ich mich für den Bus der bis dort hin nur 1200 Won (einfache Fahrt) kostet. Ich habe Glück, die Anlage einen zeitnahe zu Buddhas Geburtstag sehen zu können. Innerhalb der letzten Woche habe ich zwar genügend Laternen gesehen, es erstaunt mich aber immer noch, mit wie vielen Laternen sie ihre Tempel, Straßen und Häuser zieren. Die Busfahrt zum Tempel kann ich empfehlen, aber nicht den Fahrplan. Je nachdem, wann man dort hinfährt, kann es bis zu vier Stunden dauern, bis man den nächsten Bus zurück nach Suanbo nehmen kann. Also entschließe ich mich, zurück zu trampen und werde auf der Stelle mitgenommen! Es ist ein wenig bedauerlich, da der Fahrer so freundlich ist, Ich jede Menge Fragen an Ihn richten wollen würde, er auch den Eindruck macht als wäre er neugierig über mich, doch außer geum-ah-wa-yo (Danke) spreche ich kein einziges Wort Koreanisch noch spricht er Englisch.
Zurück im Hotel schnappe ich mir mein Fahrrad, um mich auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel Mungyeon zu machen. Heute werde ich den höchsten Punkt auf meiner Radreise durch Südkorea passieren. Den 529 m hohen Ihrwaryeong-Pass. All das ist Teil des Seoul – Busan Radweges, den Süd Korea einige Jahre zuvor eingeführt hat. Er bietet sichere, gut ausgearbeitete und äußerst gut ausgeschilderte Radwege – zumindest bisher. Das gilt auch für den Teil des Weges, der bis auf den Pass führt. Es ist fast schon ein wenig enttäuschend, da es zu sicher ist :) Die fünf km lange Strecke rauf zum Pass unterliegt einer ständigen Steigung, ist aber an keinem Punkt richtig steil. Ich bin überrascht an wie vielen Stellen Rastplätze mit Toiletten eingerichtet wurden. Nebenbei möchte ich Süd Korea im Mai wirklich empfehlen. Es ist nicht zu heiß und heute ist mein erster Tag, an dem es regnet. Es hätte einfach nicht besser abgestimmt sein können, da ich lieber einen pass im Regen rauf radle, anstatt an einem sonnigen Tag mit in Schweiß getränkten Kleidern.
Mein nächster Gastgeber in Mungyeon ist mal wieder ein weiterer Englischlehrer. Jonathan kommt aus den U.S.A. und lebt hier bereits seit zwei Jahren. Als ich ihm um 5 Uhr nachmittags eine Kurzmitteilung sende, dass ich nun bei der auf seinem Couchsurfing Profil beschriebenen Bushaltestelle sei, stellen wir beide recht schnell fest, dass es sich um die falsche handelt. Zu allem Übel ist es schon dunkel, ich kann keines dieser Straßenschilder hier lesen, kann Jonathan folglich auch nicht genau sagen, wo ich bin. Ein alter koreanischer Herr – so um die 60 – fährt auf seinem Fahrrad an mir vorbei. Ich halte ihn an und versuche ihn mit Händen und Füßen zu verstehen zu geben, ob er nicht so freundlich wäre das Gespräch von Jonathan anzunehmen. Da der Koreaner nicht die geringste Ahnung hat, was ich Ihm zu vermitteln versuche, scheint er mehr als verwirrt und weigert sich fast schon mein Handy zu nehmen, bis ich es ihm ans Ohr halte und sage: „Jonathan, du kannst jetzt reden!“ Jonathan kennt zwar nicht das Dorf, in dem ich mich gerade befinde, aber die nächst größere Stadt. Sie scheint mehr als 20 km von Jonathans Ort entfernt zu sein.
„Oh Simon das tut mir echt leid,“ sagt Jonathan, „hey äm, hier gibt es eigentlich ganz gute Busverbindungen. Also wenn Du dein Fahrrad…“
„Bedaure, Jonathan, keine Chance,“ unterbreche ich ihn, „mein Anhänger ist einfach zu groß!“
„Oh warte mal, ein Freund von mir hat einen Kleinbus…“
Jonathan ruft seinen Freund an und er ist damit einverstande,n mich abzuholen. Dennoch kann ich immer noch nicht meinen genauen Standort beschreiben. Ich radle zurück zur letzten, größeren Stadt, vorbei an einer großen, beleuchteten, künstlichen Kletterwand. Klettern scheint hier in Südkorea sehr beliebt zu sein (zusammen mit anderen Sportarten wie Golf – es gibt hier tausende von Golfplätzen – und natürlich Radfahren). Glücklicherweise ist Jonathans Freund ein Kletterer und kennt diese Kletterwand: Meine Güte, dass sind mehr als 30 Minuten mit dem Auto!“
„Bist du dir auch wirklich sicher, dass wir von der gleichen Kletterwand reden?“ möchte ich nochmals sicher gehen.
„Ganz sicher!“
Immerhin regnet es seit ungefähr zwei Stunden nicht mehr. Als ich mich in einem kleinen Unterstand nahe der Wand niederlasse um den Kletterern zuzusehen, nähert sich mir ein koreanisches Mädchen, ungefähr 16: „Entschuldigung, bist Du ein Lehrer?…“, fragt sie auf Englisch.
Ich bin beeindruckt von ihren guten Englischkenntnissen und über die Tatsache, dass sie die Unterhaltung begonnen hat. Nachdem ich etwas mehr als ein Jahr lang in Japan gelebt habe und nun eine Woche lang durch Süd Korea gereist bin kann ich sagen, dass es weitaus mehr Südkoreaner gibt, die mit mir Englisch reden als Japaner in Japan. Selbst wenn viele Südkoreaner ein sehr gebrochenes Englisch sprechen. Sie versuchen es wenigstens! Mit Ausnahme von vier oder fünf Leuten, die mir in Tokio Hilfe auf Englisch anboten, obwohl ich nicht darum bat, sprach dort niemand mit mir Englisch (mit Ausnahme meiner CS Gastgeber und in der Arbeit). All die Radler, die hier in Südkorea, die mein Seoul–Busan-Schild auf meinem Fahrradanhänger entdeckt haben waren alle mit dem einfachen Satz: “Where are you from?“ erfolgreich. Die meisten Japaner hatten es nicht mal gewagt, es nur ansatzweise zu versuchen, diesen Satz in Englisch auszusprechen und stellten lieber die Frage: „Amerika jin desu ka?“
Abby ist von meiner Geschichte begeistert und möchte sich meine Internetadresse aufschreiben. Da ich wusste, dass QR codes hier in Südkorea und Japan sehr beliebt sind, habe ich einen für meinen Fahrradanhänger ausgedruckt. Sie rennt zum Hänger, scannt den code, besucht meine Internetseite mit ihrem Smartphone und sieht sich einige meiner Interviews an. „Ich möchte auch interviewt werden!“ sagt sie.
„Perfekt!“ lautet meine Antwort doch genau in diesem Moment tauchen Jonathan und sein Freund mit dem Van auf.
„Tut mir wirklich sehr leid, aber ich werde über Dich schreiben.“ verspreche ich ihr. Jonathans Freund steigt aus dem Kleinbus aus und ich begrüße ihn. Abby tut dies auch und beide beginnen eine Unterhaltung. Wie es der Zufall so will, ist sie eine seiner Schülerinnen. Anschließend nähert sich Jonathans Freund der Kletterrunde und fragt: „Hey hat irgendjemand meine Sandalen hier gesehen? Ich muss sie hier vor drei Tagen vergessen haben.“
Ich habe nicht gesehen, wer sie ihm gegeben hat, ich weiß nicht, woher sie sie geholt haben aber nach weniger als einer Minute hält er seine neuen 100 USD Sandalen wieder in seinen Händen. Die Kletterer wussten sofort von seinen Sandalen und brachten sie ihm.
„Das finde ich an Südkorea so faszinierend“, mein Jonathan, „solche Sachen werden hier sehr selten gestohlen.“
Besonderen Dank an: Paul Sharman, Jonathan D Whitsett, Hubertus Neidhart vom Deutschen Webspace Provider Network für den exzellenten Service; Christoph Flossmann, Lilith Pendzich;
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