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Mai 25 2011

Die erste Woche

Bewegende Bewegbilder

Da der Flug über den Nordpol geht und die Sonne im späten Mai dort nicht untergeht ist es für mich im wahrsten Sinne des Wortes der längste Tag meines Lebens. Und auch ein sehr beeindruckender. Ein ewiges Eismeer bis zum Horizont! Auch wenn folgendes nicht wirklich viel mit Japan zu tun hat möchte ich noch zwei Filmempfehlungen aussprechen. Filme die ich – wie könnte es anders sein – auf dem Flug gesehen habe. The Kings Speech – eine wirklich gelungene Inszenierung wie König Georg VI, sein Stottern überwindet (ich empfehle die englische Version) Und The way back ein bewegender Film einer Strafgefangenengruppe die während des zweiten Weltkriegs aus einem sibirischen Gefangenenlager flüchtet und sich zu Fuß bis nach Indien durchschlägt.

 

Die Ankunft

Ich komme an einem Donnerstag morgen gegen 9 Uhr in Tokio Narita an. Meine ersten Couchsurfergastgeber habe ich in Chiba, eine Nachbarpräfektur Tokyos. Karte von Tokyo und UmgebungDa mir gleich zwei Japanerinnen, Anna 24 und Eri 22, angeboten haben mich im selben Zeitraum zu beherbergen, habe ich vereinbart mich mit Eri für eine kleine Sehenswürdigkeitentour gleich am Tag meiner Ankunft zu treffen aber bei Anna zu übernachten. Es ist sonnig und es herrschen angenehme 25°C. Da ich aber mit zwei Rucksäcken die zusammen 30 kg wiegen bepackt bin, bin ich – bei Eri angekommen – so erschöpft und verschwitzt dass nur noch eine Dusche hilft. Der Jetlag tut sein übriges. Ich versuche meine Müdigkeit zu verbergen aber darin war ich noch nie gut. Eri bemerkt das natürlich und sagt: „Du kannst hier ruhig schlafen“ Ich weiß nicht so recht, was ich tun soll. Sie ist ja bei Couchsurfing, da sie neugierig auf fremde Kulturen ist und nicht weil sie sehen will, wie es aussieht, wenn diese Kultur in ihrem Bett schläft. Und ich denke, dass sie wohl ein wenig neugierig auf Deutschland ist und gerne mehr darüber erfahren möchte. Aber ich breche fast zusammen. Ich habe den gesamten Flug über kein Auge zu bekommen, bin seit Mittwoch, 4:30 Mitteleuropäischer Zeit wach, der Flug dauerte über elf Stunden und hier ist es gerade Donnerstag morgen. Ich lege mich schlafen: „Okay also ein bis zwei Stunden brauche ich wohl, Eri.“

Ich wache nach nach fast fünf Stunden Schlaf auf. Eri hat mich freundlicherweise nicht geweckt. Aber natürlich plagt mich jetzt ein schlechtes Gewissen. Denn ich muss nun meine Sachen packen um zu Anna zu fahren – meine Gastgeberin von heute, Donnerstag bis Sonntag. Als ob ich nicht schon bepackt genug wäre, drückt mir Eri noch eine Tüte mit japanischen Süßigkeiten in die Hand. Hey Eri, normalerweise bringt der Gast Geschenke! :) Danke!

Bepackter Backpacker

Bepackter Backpacker

Anna holt mich am S-Bahnhof Chiba ab. Sie begrüßt mich mit „Sugoi!“ was soviel wie großartig, Wahnsinn und im übertragenen Sinne auch unglaublich heißt. Es liegt nicht daran, dass sie es mir vielleicht nicht zugetraut hätte hier her zu finden, ihr Staunen gilt eher meiner Art zu Reisen.

Mein kleiner 35 Liter Rucksack vorne und mein 80 Liter Rucksack auf meinem Rücken. Warum reise ich mit zwei Rucksäcken nach Japan? Ich möchte schließlich für ein Jahr bleiben und zur guten Unterhaltung und zum bloggen gehört nun mal ein Laptop. Meine Japanisch Lehrbücher habe ich auch mal vorsichtshalber mitgenommen. Und damit ich auch wackelfreie Bewegbilder präsentieren kann, darf mein Stativ nicht fehlen. Und das allein wiegt nun mal schon sieben Kilo.

 

Erste Eindrücke

In Deutschland empfindet man über die Straßen gespannte Stromleitungen in der Stadt oder in Wohngebieten in der Regel als hässlich und verlegt sie unterirdisch. Japaner haben mit sichtbaren Stromleitungen weniger ein Problem.

Kabelsalat

Kabelsalat

Es ist selten möglich Gebäude zu fotografieren ohne Kabelsalat im Bild zu haben. Schade eigentlich. Japan böte so deutlich schönere Motive. Aber es gibt auch etwas, das mich positiv stimmt. Soweit ich das bisher beurteilen kann ist Japan deutlich behindertenfreundlicher als Deutschland. Die Furchen und „Rippen“, die in deutschen Bahnhofsböden Blinden den Weg weisen, enden hier nicht am Bahnhofsausgang, sondern werden auf fast jedem Gehsteig weitergeführt. Durch die gesamte Stadt!

Blindenstreifen

Blindenstreifen Foto von Joki Zatko

Und natürlich sind die Bürgersteige auch für Rollstuhlfahrer angepasst. An jeder Kreuzung und jedem Eingang abgesenkt. Doch damit nicht genug. Die Treppengeländer im Bahnhof haben jeweils am Geländeranfang und -ende auf dem Geländer selbst in Blindenschrift eingraviert, zu welchem Gleis die Treppe führt und welche Linen von dort aus fahren. Etwas, woran sich Deutschland mal ein Beispiel nehmen könnte.

Blindenschrift

Blindenschrift

Selbst die Fahrkartenpreise sind auf einer Tafel für in Blindenschrift gelistet. Ich bin beeindruckt. In Deutschland steigt ja schon ein gesunder Mensch bei den Fahrkartenautomaten nicht mehr durch. Ich frage mich, wie Blinde bei uns in Deutschland eigentlich am Automaten ihre Karten kaufen. In Japan ist das kein Problem! Und sogar in Supermärkten haben viele Produkte eine Beschreibung für Blinde.

 

Anna ist Grundschullehrerin, 24 und äußerst sportlich. Sie beherbergt mich obwohl sie morgen arbeitet. Und hier lerne ich gleich eine weitere Besonderheit Japans kennen. Da es schon verhältnismäßig spät ist und wir beide früh schlafen gehen wollen, kochen wir nichts zum Abendessen, sondern holen uns je ein Bento – eines der Fertiggerichte, die man hier in jedem Supermarkt bekommt. Das besondere daran ist, das die Qualität der Gerichte wirklich annehmbar ist und die Gerichte im Supermarkt erwärmt werden, wenn man es wünscht. Plastikbesteck oder Stäbchen inklusive! Essen ist in Japan im Allgemeinen verhältnismäßig günstig. Für 300 Yen (2.60 Euro 3,15 CHF)  bekomme ich ein riesen Rindfleischgericht, mit Reis und Gemüse.

Ich verlasse zusammen mit Anna am nächsten Morgen die Wohnung, schlendere durch Chibas Park, entdecke eine Schildkröte die zu einem Buddhatempel pilgert und erkunde Chibas Straßen und die Einkaufsmeile.

Park in Chiba

Park in Chiba

 

Noch nicht mutiert

Noch nicht mutiert

 

 

 

 

 

 

Buddhatempel

Buddhatempel

 

 

 

 

 

 

 

Auffällig sind die vielen Verkaufsautomaten, die wirklich überall stehen. In Deutschland findet man ungefähr dreimal so viele Zigarettenautomaten wie Briefkästen. Hier findet man sieben mal so viele Getränke- und Speiseautomaten wie in Deutschland Zigarettenautomaten.

Automaten

Automaten

Ich habe meinen Laptop dabei und suche einen Wirelessinternetzugang. Für gewöhnlich bieten Fastfoodketten das immer an. Erstaunlicherweise ist das hier – oder zumindest in Chiba – nicht der Fall. Das gibt’s doch nicht, ich bin in Japan, einem Land der Technikfreaks :) und es gibt hier tatsächlich mehrere Fastfoodrestaurants, die ohne wireless auskommen? Ich bin enttäuscht und auch leicht verärgert, da mein Laptop nicht der leichteste ist und ich ihn den gesamten Tag praktisch umsonst rumschleppe. Das hätte ich von Japan nicht erwartet.

 

Auf meiner Entdeckungstour erspähe ich einen typisch japanischen Friedhof. Auch im Buddhismus nutzt man Grabsteine. Sie sehen allerdings etwas anders als unsere aus.

Friedhof in Chiba

Friedhof in Chiba

Restaurant Baden Baden

Restaurant Baden Baden

Gegen Abend macht mich der Name eines Restaurants neugierig: Baden Baden. Zwischen den Fenstern prangt eine Deutschlandflagge. Ich trete ein und frage: „Sumimasen Anatawa Doitsu Jin des ka?“ Entschuldigen sie, sind sie Deutsch? Der Besitzer ist Japaner, hat aber einige Jahre in Baden Baden gelebt und spricht Deutsch. Ich erzähle ihm meine Geschichte, auch dass ich mal einige Zeit in der Nähe von Baden Baden, in Karlsruhe, gelebt habe. Und natürlich lass ich ihn wissen, dass ich schon den gesamten Tag verzweifelt auf der Suche nach einem Hotspot bin. Auch sein Restaurant hat kein WLAN aber er bieten mir an meinen Laptop an seinen Router anzuschließen. Während ich meine Mails checke und beantworte stellt er plötzlich ein Gericht neben meinen Laptop: „Hier, Du bist eingeladen!“ „Sugoi! Domou arigatou gosaimasu!“, bedanke ich mich sehr höflich. Es ist ein leckeres Fischgericht – frittiert samt anderer Sachen, die ich noch nie zuvor gesehen habe und auch nicht nicht so recht zuordnen kann. Egal, es schmeckt köstlich. Der Besitzer ist sehr stolz seinen hausgemachten Senf. Senfkörner seien in Japan im Allgemein sehr rar und schwer zu bekommen.

 

Auch am nächsten Tag verläuft meine Suche nach einem Hotspot nicht sonderlich erfolgreich. Selbst eine aus Seattle stammende Caffee-cafe-kette bietet zwar einen Hotspotzugang, einmal verbunden lautet die erste Nachricht auf dem Bildschirm aber: Coming soon!

Mal wieder frustriert setze ich mich auf den Hauptplatz in Chiba. Hier findet heute eine Veranstaltung gegen sexuelle Diskriminierung statt. Ich entdecke eine Aktivistin mit einem Stoffbeutel der deutschen Supermarktkette Kaiser’s: „Entschuldigung, kennst Du hier einen Ort mit Wirelesszugang.“

„Sehe ich so Deutsch aus? Ach so, mein Stoffbeutel. Nein, aber ein Freund von uns hier hat einen mobilen Router. Warte ich frage ihn mal, ob Du ihn ausleihen kannst. Ja, hier kannst ihn nutzen.

So oder über ihr Mobiltelefon gehen die Leute hier allgemein unterwegs ins Internet. Das ist der Grund, weshalb außerhalb der Business- und Tourismussballungsgebiete fast keine Restaurants wireless anbieten“ klärt sie mich auf.

„Aha, also zum mailen und zum chatten reicht’s ja. Aber ich würde gerne die Nachrichten der letzten drei Tage sehen wollen. Dafür ist die Bandbreite einfach alles andere als ausreichend!“

„Tja dafür haben alle Handys hier mobile TV-Empfänger.“

„Hm… Ich würde mich damit nicht zu Frieden geben. Da muss ich mich ja nach dem Programm richten.“

Egal. Viel wichtiger ist es weitere Gastgeber für die nächste Woche zu finden. Solange ich hier noch keinen Job habe, muss ich sparsam sein. Ich weiß, dass dies nicht die Philosophie hinter Couchsufing ist und ich werde all das der Couchsurfingcommunity zurückgeben, sobald ich ein Zimmer in Tokyo habe.

Ich hätte sogar einen Job in Japan gehabt und hätte mich nicht mal um Unterkunft kümmern müssen, da diese mit dem Job gekommen wäre. Es wäre eine Stelle in einem Onsen Hotel gewesen. In den Bergen 80 km westlich von Tokyo. Aber seit Fukushima verzeichnet der Hotelier einen starken Tourismuseinbruch und fährt halbe Belegschaft. Folglich kann er mich nicht einstellen. Meinen Flug habe ich deshalb dennoch nicht storniert. Aber ich muss mich eben hier in Japan um einen Job kümmern…

Einen weiteren besonderen Eindruck hinterlassen die Kanaldeckel bei mir. Mit schönen, verschieden, bunten Motiven zum sammeln!

Kanaldeckel Chiba

Kanaldeckel Chiba

Auch erwähnenswert, wie die Japaner hierzulande mit Baustellen umgehen. Ich passiere eine kleine Straßenbaustelle und werde freundlichst von fünf (!!!) Japanern an jedem Punkt mit einem Richtungswechsel mit maximal 20° in die neue Richtung geleitet. Ich finds ja nett, aber ein Umleitungschild (vielleicht in Englisch) würde mir wirklich reichen. Aber … Danke!

Auch Japaner wollen Spaß haben

Im Allgemeinen schlafe ich trotz der hier für Gäste üblichen, dünnen Futon Matratze sehr gut. Gut, zugegebenermaßen habe ich die Matratze auch mit meiner mitgebrachten Isomatte kombiniert. Was die Temperatur anbelangt, so ist das Klima sehr angenehm, etwas wärmer als in Deutschland, eher vergleichbar mit Roms Klima. Ich hatte mir Chiba deutlich heißer und schwüler vorgestellt. Die Luftfeuchtigkeit ist hier zwar etwas höher, aber nicht auffallend hoch. Dennoch, morgens bedeckt ein leichter Film von Feuchtigkeit die Haut. Es ist Sonntagmorgen, mein letzter Tag bei Anna. Heute ist erst mal Ausschlafen angesagt. Doch so richtig wird daraus nichts. Ein Paar vom Nachbarzimmer scheint diesen sonnigen morgen wohl auf ganz besondere Art und Weise zu genießen. In einem gleichmäßigen Rhythmus höre ich vom Nachbarzimmer ein Bett gegen die Wand rumpeln. „Die müssen es aber ganz schön wild treiben!“ Denke ich mir. Sie könnten ja wenigstens das Bett ein wenig entfernt von der Wand aufstellen. Naja. Bei so was stört man schließlich nicht und klopft nicht zurück. Jetzt wird das Rumpeln allerdings lauter und ich denke mir: „Hey, lasst’s mal langsam angehen, okay?“ Von wegen, es wird noch stärker. „Hey, das überträgt sich ja fast schon schon auf unser Zimmer. Moment mal, es überträgt sich wirklich auf unser Zimmer! Jetzt höre ich es auch in unserer Wohnung rumpeln. Gegenstände in der Küche fangen an zu wackeln und erst jetzt wird mir klar: „Oh Mann, Simon! Du bist hier in Japan, einem erdbebengefährdeten Gebiet. Allerdings wusste ich bis heute nicht woher die Erdbeben kommen. Anna bleibt gelassen im Bett liegen. Und solange sie das tut, sehe ich keinen Grund in Panik zu verfallen. Das Beben ist schnell vorüber. Ich ziehe die Decke über meine Brust und schlafe mit einem Grinsen auf dem Gesicht wieder ein. Das war also mein erstes Erdbeben. Und anstatt mich in Panik zu versetzten – so wie ich mir mein erstes Erdbeben vorgestellt hätte – hat es mich zum Lachen gebracht.

 

Bevor ich zu meinem nächsten Couchsurfing Gastgeber oder besser geschrieben Gastgeberpaar umziehe, nimmt mich Anna noch zu einem Kletterausflug nach Tokyo mit. Tokyo? Skyscraper climbing? Nein, ganz so spektakulär ist es dann doch nicht. Eine gewöhnliche Kletterhalle muss herhalten. Anna stellt mich ihren Freunden vor. Zwei Japanische Mädchen, ein Japaner und ein Australier, der hier ebenfalls Work and travel macht. Er hat bereits eine Stelle als Englischlehrer.

Meine Gastgeberin Anna (links) und ihre Freunde

Meine Gastgeberin Anna (links) und ihre Freunde

Bisher war ich immer noch nicht in Tokyos Zentrum. Damit habe ich es aber auch nicht so eilig. Schließlich plane ich ja für einen längeren Zeitraum hier zu bleiben. Aber schon die Tunnelsysteme der U-bahnen sind erst mal Faszination genug für mich. Erstaunlich, all das hier ist erdbebensicher konstruiert. Das muss eine architektonisch und statische Meisterleistung sein. Ich frage mich wie viel Physik und Mathematik in den Bau eines solchen Systems einfließen. Ich versuche Schäden oder Risse an den Wänden aufzuspüren, irgendwas das auf das große Beben vom März zurückzuführen wäre… Vergebens! Nichts, nicht die kleinste Spur eines Bebens ist erkennbar. Alle Säulen stehen kerzengerade, die Wände sind nicht deformiert und selbst gesprungene Fliesen suche ich vergebens. Allerdings zeigen sich die Spuren des Bebens bei einigen Rolltreppen. Anna sagte mir, dass einige seit dem Beben nicht mehr funktionieren.

Ikebukuro Metro Bahnhof

Ikebukuro Metro Bahnhof

Gegen Abend komme ich zu meinen nächsten Gastgebern. Ein amerikanisch-australisches Paar. Beide arbeiten an der Universität. Jim ist Englischdozent. Sie leben bereits seit einigen Jahren in Shibuya und haben sich hier ein Haus gekauft. Jim sagt mir: „Die Zinsen in Japan sind verhältnismäßig gering und so haben wir uns entschlossen ein Haus zu kaufen. Es ist tatsächlich billiger als sich hier ein Haus zu mieten. Im Vergleich zum westlichen Standard ist das Haus zwar klein, mir gefällt es aber. Es hat eine Grundfläche von gerade mal 20 mal 20 m und nur drei Stockwerke.

House in the Shibuya Sun

House in the Shibuya Sun

Das Gästezimmer befindet sich im Erdgeschoss. Da der Garagenstellplatz, der Flur im Eingangsbereich und die Treppe zum ersten Stock „etwas“ Platz von der Grundfläche verbrauchen fällt mein Zimmer mit schätzungsweise 8 m² recht klein aus. Den geräumigsten Bereich findet man im ersten Stock (welcher in Japan übrigens schon der zweite ist, da hier das Erdgeschoss der erste Stock ist). Eine Wohnküche samt Wohnzimmer in einem. Das Haus ist sehr modern ausgestattet. Ganz oben findet man Das Badezimmer, welches als riesige Duschkabine konstruiert ist, die zusätzlich eine Badewanne hat. Ein separates WC und natürlich Jim und Heaths Schlafzimmer dürfen nicht fehlen.

 

Jim und Heath sind sehr hilfsbereit: „Um einen Job annehmen zu können brauchst Du die Alienregistrationcard und ein Bankkonto. Für beides brauchst Du aber eine feste Adresse hier in Japan.

„Oh, ich habe aber noch keine Bude hier. Und ehrlich gesagt auch nicht all zu viel Geld. Um es auf den Punkt zu bringen kann ich mir eine Monatsmiete wohl nicht leisten. Von der Kaution ganz zu schweigen. Ich bin leider darauf angewiesen für die Vorstellungsgesprächszeit von einem Cochsurfer zum anderen zu ziehen. Sobald ich einen Job in Aussicht habe, wollte ich mir dort in der Nähe etwas suchen!“

 

Und so finde ich mich in einer Hauptmann-von-Köpenik-Situation hier in Japan. Ich brauche eine Arbeitsstelle um meinen Unterhalt und somit meine Miete hier finanzieren zu können, aber ich werde keine Stelle bekommen solange ich nicht die Alienregistration card habe, die man wiederum nur bekommt, wenn man eine Adresse in Japan nachweisen kann. Super! Okay, um ehrlich zu sein…

Wenn man sich bei der Japanischen Botschaft in Deutschland um ein Work and Travel Visum bewirbt, muss man nachweisen, dass man ein Hin- und Rückflugticket besitzt – hab’ ich – , eine Auslandskrankenversicherung – hab’ ich – , und dass man 2.000 € in bar besitzt. Nun ja, also zum Zeitpunkt der Bewerbung hatte ich die auch. Aber jetzt? … hm …

 

Ich bin bereits seit einigen Tagen in Japan und hatte das Glück noch nicht Geld wechseln zu müssen, da Christoph, ein Freund von mir, bereits in Deutschland etwas Yen wechseln konnte, da er schon mal in Japan gewesen ist und noch ein paar yen übrig hatte. Dies ist aber schnell für eine Telefonkarte, Essen und die öffentlichen Verkehrsmittel verbraten. Von meiner Vortragstour über meine Hamburg – Romradreise (www.prototypetour.de) ist noch etwas Geld übrig.

 

Als 08/15-Tourist ginge ich, wie wahrscheinlich jeder andere Mensch auch, zur nächstbesten Bank um mein Geld zu wechseln. Damit kommt man hier nicht weit! Glücklicherweise genieße ich mal wieder das Couchsurferprivileg und mir wird bereits bevor ich den Fehler begehen kann von meinen Gastgebern gesagt, dass die Post hier die beste Anlaufstelle zum Geldwechseln ist, nicht die Banken. Also begebe ich mich auf den weiten Weg zur Post. Dort angekommen werde ich von vier (!!!) Japanern abermals äußerst freundlich begrüßt und von allen gefragt womit man mir helfen könne. Nach meiner Antwort begeleitet mich einer aus dem Quartett zur langen aber wenigstens richtigen Warteschlange.

Nach zehn Minuten komme ich endlich dran und in einer kurzen Unterhaltung mit der Postbediensteten bemerke ich, dass es aber auch etwas gibt, dass mir nicht gesagt wurde. Um hier Geld wechseln zu können, muss man seine Adresse in Japan angeben.

Ich frage mich, was das wieder soll? Ein cleverer Trick der Post um an für werbeinteressierte Unternehmen verkäufliche Adressen zu kommen? Oder eine dieser sinnlosen Terrorismus „Sicherheitsmaßnahmen“ von denen sich Japan zum Glück nicht ganz so zum Affen macht wie die U.S.A. Denn natürlich gebe ich beim Reisegrund in die U.S.A. an, dass der Zweck meiner Reise ein Anschlag ist, ich acht Semester lang in Afghanistan an der Osama bin Laden Universität studiert habe und endlich meinen Master in Terrorismus, Nebenfach Chemie habe. Wahrscheinlich hat Osama bin Laden letztens beim Geldwechseln den Fehler gemacht, seine Adresse anzugeben und als Beruf Vorstandsvorsitzender von Al Kaida hingeschrieben. Und ich bin fest davon überzeugt, nur so konnten die U.S.A. Osama ausfindig machen. Man weiß ja nie. Manche werden halt einfach irgendwann mal senil. Und das wird wohl der Grund sein, warum die U. S. A. auch so lange gebraucht haben, Osama zu finden. Natürlich habe ich die Adresse meiner Gastgeber weder dabei noch im Kopf. Manchmal macht mich die Bürokratie dieses Landes schon verrückt. Nach dem Wechseln habe ich etwas mehr als – ich nenne sie einfach mal – drei große Scheine. Und der große Schein, den ich von Christoph hatte, ist fast aufgebraucht.

 

Es ist Dienstag und ich ziehe mal wieder um. Mit dem Metronetz für Tokyo und deren Nachbarpräfekturen kann ich mich immer noch nicht so recht anfreunden. Die meisten Pläne sind nur in Kanjischriftzeichen geschrieben. Zusätzlich gibt es hier mehrere Zuggesellschaften, die jeweils nur ihre eigenen Netzpläne drucken. Will man von A nach B, muss man sich peinlich genau die Umstiegsbahnhöfe für die verschiedenen Bahngesellschaften herauspicken und ab da den dazugehörigen Netzplan verwenden. Eine Sisyphus Arbeit. Natürlich gehe ich dabei komplett verloren.

Metronetzplan. Nur eine von vielen

Metronetzplan. Nur eine von vielen

Ich muss wohl ziemlich verzweifelt aussehen, wie ich jedes mal ich auf meinen Netzplan starre. Schon mehrmals wurde ich – und zwar nicht nur heute – von Japanern angesprochen, ob sie mir helfen können. Ich bin überrascht. Denn mir wurde gesagt, dass praktisch alle Japaner sehr scheu seien und Ihr Englisch fast nicht existent wäre. Somit habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, überhaupt angesprochen zu werden, um Hilfe angeboten zu bekommen. Gut, vielleicht sind Tokyo und deren relativ international geprägte Nachbarpräfekturen nicht gerade repräsentativ für ganz Japan. Hier jedenfalls waren die Helfer Leute jeden Alters und Geschlechts. Die Adressfindung meines neuen Gastgebers toppt allerdings alles! Dieses mal begegne ich einem Japaner, der mich, nachdem ich ihn gefragt habe, freundlich darauf hinweist, dass ich im falschen Zug bin, er aber fast in die gleiche Richtung müsse. Ich frage mich wie das zusammenpasst, wenn ich doch im falschen Zug bin. Naja, vielleicht bin ich nicht ganz so fern ab vom Schuss. Er bietet mir an mich zu begleiten um mich etwas zu führen. Natürlich nehme ich dankend an. Er stellt sich vor und erzählt mir, dass er in der Mobilfunkbranche bei einem Subunternehmen arbeitet. Da er mich so genau wie möglich lotsen möchte, fragt er mich nach der exakten Adresse, um danach auf seinem Navigationsprogramm auf seinem Handy zu suchen. Am Zielbahnhof angekommen, sind es noch mindestens 15 Minuten Fußweg. Auch hier führe ihn sein Heimweg fast in die gleiche Richtung. Nach recht kurzem Marsch holt er aber dann doch sein Handy wieder heraus. Hm… also ich bezweifle ja, dass er um seinen Heimweg zu finden das Navi braucht also ist natürlich klar, dass es sich mal wieder um einen überhöflichen Japaner handelt, der sich mir scheinbar irgendwie  verpflichtet fühlt mich sicher heim zu bringen. Tatsächlich gehen wir die letzten zehn Minuten nur nach Navi. Da er sieht, dass ich total verschwitzt bin, lädt er mir am nächsten Getränkeautomaten auf eine Cola ein. Ich bin überwältigt und frage mich, warum so viele Menschen hier während der Woche, nach einem wahrscheinlich sehr erschöpfenden Arbeitstag fast alles tun, um einen vollkommen Fremden zu helfen.

 

In den folgenden drei Tagen hause ich in der Präfektur Saitama bei einem Amerikaner, der mir seine Wohnung komplett überlässt, da er momentan bei seiner japanischen Freundin wohnt. Er ist Englischlehrer. In den drei Tagen in denen ich von ihm beherbergt werde, sehen wir uns nur ein einziges mal, als er mich ins Restaurant einlädt. Ich nutze die Zeit und konzentriere mich auf das Bewerbungenverschicken. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit Arbeit zu finden ohne eine feste Adresse in Japan zu haben, die ich noch nicht herausgefunden habe…

Besonderen Dank an: Hubertus Neidhart vom Deutschen Webspace Provider Network für den guten Service, Restaurant Baden Baden, Joki Zatko für das Beisteuern eines Fotos, Ann-Jessica Diehl für das Melden eines Fehlerteufels und an all meine Gastgeber.

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4 Kommentare

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  1. Simon Pendzich

    Vielen Dank fuer den netten Kommentar, Katharina! Das Bild habe ich bereits etwas hoeher aufgeloest reingestellt. Ich plane noch ein Album einzurichten. Tut mir Leid, dass ich Dir nichts von meinem Japanjahr gesagt habe. Es war aber auch eher eine Hals-ueber-Kopf-Entscheidung.

  2. Jesse

    Hi!

    @Katharina:
    Mir hat er auch nichts gesagt… ^^ So isser, unser Simon! ;)

    Mensch, Simon… ich bin immer wieder neidisch wenn ich von Deinen Touren lese. Ich weiß dass ich selbst nie den Mut hätte sowas zu wagen, und ich finde es toll dass Du es tust! Ich erinnere mich total gerne an die 9 Tage mit Dir in Hamburg und muss immer wieder schmunzeln… :) Freu mich auf die nächsten Bilder und Geschichten rund um Dein Jahr in Japan. :)

    Liebe Grüße
    Jesse

    1. admin

      Hi Jesse,
      ich musste einfach fliehen. :) Nein, nicht vor Euch. :) Tja, ob solche Wagnisse auch immer was Gutes bedeuten wird sich in diesen Wochen zeigen. Vielleicht gibt es dann keinen Grund darauf neidisch zu sein… Hamburg… :) Ja, war lustig. Danke für Deinen Kommentar Jesse.

      1. Jesse

        Ach Simon,
        Du bist zwar der totale Chaot, aber Du wirst es schon machen. Auch wenn es mir immer wieder ein Rätsel ist wie Du das hinkriegst! :)
        Jedenfalls macht es tierisch Spaß Deinen Blog zu lesen! Bin gespannt was Du noch so erzählen wirst. :)

        Liebe Grüße
        Jesse

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